Beschreibung und Bewertung

Teilnehmer

An der Jugendbegegnung nahmen 14 deutsche und acht polnische Studenten teil. Es handelte sich vor allem um Studierende der Fächer Politikwissenschaft, Germanistik, BWL, Anglistik und Geschichte. Die Teilnehmer wurden mit Hilfe von Aushängen an Berliner und Warschauer Universitäten, von Mailinglisten mit Osteuropabezug, der Vorstellung des Projekts in Seminaren an der FU Berlin, Presseartikel und durch mündliche Verbreitung im Freundeskreis geworben.

Ziele und Erwartungen

Durch die Jugendbegegnung „referendum.03“ sollten vor allem Kenntnisse über die Geschichte, das politische System und kulturelle Besonderheiten Polens und Deutschlands im Vergleich sowie Informationen über den europäischen Einigungsprozess vermittelt werden. Im Hinblick auf die Osterweiterung der EU sollte eine Diskussion über die gemeinsame Zukunft in einem vereinigten Europa angestoßen und den Teilnehmern ein Anreiz geboten werden, sich näher mit der EU zu beschäftigen.

Diese Auseinandersetzung mit den deutsch-polnischen Beziehungen sollte durch das Knüpfen von Kontakten zwischen deutschen und polnischen Studenten unterfüttert werden, da so das theoretische Wissen in der Praxis überprüft und umgesetzt werden konnte.

Im Sinne der Ziele des Vereins Jugend bewegt Europa e.V. sollte durch das Projekt der europäische Einigungsprozess auf Bürgerebene unterstützt und so ein Beitrag zur Bildung einer gemeinsamen europäischen Identität geleistet werden.

Bei einer Befragung der Teilnehmer im Rahmen eines Vorbereitungsseminars zu ihren Erwartungen bezüglich der Fahrt wurde insbesondere der Wunsch nach näheren Kontakten zu Polen geäußert. Themen, die die Teilnehmer vor allem interessierten, waren die Stimmung vor und nach dem Referendum, die zivilgesellschaftlichen Strukturen in Polen und die Vorstellungen über eine gemeinsame Zukunft in der Europäischen Union.

Gegenstand und Methoden

Im Zentrum des Projekts stand die Frage der Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Verbindung mit dem europäischen Integrationsprozess. Als Anlass für diese Fragestellung bot sich das Referendum an, da dieser Volksentscheid eine wichtige Rolle in der Entwicklung Polens sowie Deutschlands und der EU spielt. Im Vorfeld hatte es harte Auseinandersetzungen gegeben zwischen EU-Befürwortern und Gegnern und diese Diskussion zeigte viele noch ungelöste Fragen, auch in Bezug auf das deutsch-polnische Verhältnis, die teilweise historisch bedingt sind. Gleichzeitig markiert das Referendum, besonders durch seinen positiven Ausgang, auch einen Wendepunkt in der deutsch-polnischen Geschichte. Erstmals sind die beiden Staaten gleichberechtigt in einem Staatenbund vertreten.

Zur Annäherung an diese Thematik wählten wir vor allem Gespräche mit Experten aus der Politik und Personen des öffentlichen Lebens. Des weiteren sollte ein Planspiel Diskussionsprozesse zwischen deutschen und polnischen Teilnehmern anstoßen. Dadurch dass die polnischen Studenten uns ihre Stadt aus ihrer Perspektive zeigen und wir gemeinsam Freizeitaktivitäten organisieren, sollte den Teilnehmern die jeweils andere Kultur näher gebracht und erfahrbar gemacht werden.

Vorbereitung des Projekts

Die Organisatoren des Projekts haben vom 08. bis 19. Mai 2002 eine europäische Jugendbegegnung in Warschau, Berlin und Brüssel durchgeführt. Die Begegnung wurde ausgewertet und die Ergebnisse bei der Planung des Projekts „referendum.03“ berücksichtigt. Der Erfahrungsbericht zu „Jugend bewegt Europa – Warszawa-Berlin-Bruxelles“ ist im Internet unter www.jugend-bewegt-europa.de abrufbar. Zur Fortsetzung der mit dieser Begegnung begonnenen Arbeit und der institutionellen Absicherung nachfolgender Projekte wurde am 17. März 2003 der Verein Jugend bewegt Europa e.V. ins Leben gerufen. Dieser Verein bildet die institutionelle Basis des Projekts. Auf deutscher und polnischer Seite gibt es ein Organisationsteam von jeweils drei Personen.

Am 17. und 25. Mai 2003 fanden jeweils ganztägig die Vorbereitungsseminare für die deutschen Teilnehmer der Fahrt in Berlin statt. Beim ersten Termin gab es eine Kennenlernrunde, es wurden die organisatorischen Einzelheiten erläutert sowie die vierteilige Dokumentation „Deutsche und Polen“ des ORB gezeigt. Daraus ergab sich eine spannende und angeregte Diskussion zur Frage des unterschiedlichen Umgangs mit Geschichte in Deutschland und Polen. Wir stellten fest, dass für die Polen andere geschichtliche Ereignisse wichtig sind, als für uns. Während sich die deutsche Geschichtsbetrachtung sich auf das 20. Jahrhundert konzentriert, bilden in Polen mittelalterliche Ereignisse sowie die Teilungen des Landes im 19. Jahrhundert zentrale Punkte der Geschichte. Beim zweiten Treffen wurde das Planspiel „Europa neu gestalten“, das den Prozess der EU-Osterweiterung simuliert, durchgespielt.

Durchführung

Die deutsche Gruppe war in einem einfachen Hotel mit guter Busanbindung an das Stadtzentrum untergebracht. Die Polen übernachteten bei sich zu Hause.

Das Programm sollte eine ausgewogene Mischung aus offiziellen Terminen, gemeinsamen Freizeitaktivitäten und Raum für Diskussionen und eigene Entdeckungen bieten. In Gesprächen mit dem Leiter des Informationsbüros des Sejm, dem Wirtschaftsattachés der Deutschen Botschaft in Warschau, dem Projektleiter für die Kampagne zum Referendum der polnischen Robert-Schumann-Stiftung, dem Leiter des EU-Informationsbüros in Lublin sowie einem deutschen in Warschau lebendem Kabarettisten informierten wir uns z.B. über Unterschiede in den politischen Systemen und deren historischen Wurzeln, über die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen, über die Kampagne der polnischen Regierung zur Information über die EU und über Vorurteile und Stereotypen in den Vorstellungen vom jeweiligen Nachbarn.

In Führungen durch die Altstadt von Warschau, das rekonstruierte Stadtschloss, den Lazienki-Park, die die polnischen Teilnehmer durchführten, durch das Gebäude von Sejm und Senat, sowie durch einen Besuch in der Ausstellung des jüdischen Instituts, eine Führung durch das ehemalige jüdische Ghetto von Warschau und den Film „Der Pianist“ vertieften wir unsere Kenntnisse über die polnische Geschichte.

Bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten wie einem Picknick in einem Naherholungsgebiet nahe Warschau, einer Party der Robert-Schumann-Stiftung am Abend des letzten Referendums-Tages oder einem Bowlingturnier konnten die deutschen und polnischen Teilnehmer einander näher kennen lernen und es entstanden interessante Diskussionen über Unterschiede zwischen Deutschen und Polen. Ein zentraler Programmpunkt war außerdem das Planspiel „Europa neu gestalten“. Nähere Erläuterungen einzelner Programmpunkte finden Sie in dem angehängten Reisetagebuch.

Nachbereitung

Kurz vor der Abfahrt der deutschen Teilnehmer fand ein Auswertungsgespräch mit der gesamten Gruppe statt. Dabei zeigten sich alle Teilnehmer sehr zufrieden mit der Begegnung. Am 05. Juli fand ein Nachbereitungstreffen zum Foto- und Erinnerungsaustausch in Berlin statt. Zusammen mit zwei Teilnehmern der Fahrt wurde dieser Abschlussbericht erstellt. Die Begegnung wird auf der Homepage des Vereins www.jugend-bewegt-europa.de dokumentiert.

Ergebnisse, Beobachtungen und Erfahrungen

Neben einigen Programmpunkten wie der Referendumsparty der Robert-Schumann-Stiftung oder das Treffen mit Steffen Möller hoben die Teilnehmer in der Auswertung vor allem den guten Kontakt zu den polnischen Teilnehmern hervor. Die Verständigung mit der polnischen Gruppe funktionierte hervorragend und beide Seiten haben von fruchtbaren Diskussionen untereinander profitiert. Das Ziel, das theoretische Wissen über Polen durch persönliche Kontakte erfahrbarer zu machen, wurde durch die Begegnung voll und ganz erreicht.

Auffallend war jedoch, dass in den Diskussionen vor allem die deutsch-polnischen Beziehungen und der unterschiedliche Umgang mit Geschichte sowie die aktuelle deutsche und polnische Außenpolitik thematisiert wurden und das Thema EU-Osterweiterung nicht so umstritten war, wie wir als Organisatoren angenommen hatten. Als mögliche Begründung hierfür ließe sich anführen, dass das Referendum den Abschluss eines Diskussionsprozesses bildetet. Die Argumente für oder gegen diese Entwicklung waren allen bekannt und die Frage bot nicht mehr genug Zündstoff, bzw. wird von anderen Themen wie z.B. der polnischen und der deutschen Außerpolitik in den letzten Monaten überlagert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Thema der Osterweiterung nicht wieder aktuell wird, wenn der Prozess weiter vorangeschritten ist.

Einige deutsche Teilnehmer bedauerten die mangelnden polnischen Sprachkenntnisse. Es war auffällig, dass die Polen fast fließend Deutsch sprachen, während wir nur wenige Vokabeln beherrschten. Diese Tatsache verdeutlicht das Ungleichgewicht in den deutsch-polnischen Beziehungen. Viele Polen schauen nach Westen, nach Deutschland, aber nur wenige Deutsche interessieren sich für unseren östlichen Nachbarn. Es hat sich erwiesen, dass durch Sprachkenntnisse eine Kultur und Gesellschaft viel besser und unmittelbarer erfahrbar wird. Die Lektüre der polnischen Tageszeitungen an den Referendumstagen und kurz danach wäre beispielsweise eine spannende Bereicherung der Fahrt gewesen. Das Projekt hat also dazu beigetragen, dass persönliche Kontakte zwischen deutschen und polnischen Studenten geknüpft wurden und dass wir viele neue Erkenntnisse über Warschau und Polen gewonnen haben. Es wäre darüber nachzudenken, welche Themen im Zusammenhang mit der EU die Diskussionen der nächsten Jahre bestimmen werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Der vorliegende Abschlussbericht wird an Förderer, Unterstützer und Interessierte des Vereins weitergegeben. Die Arbeit des Vereins wird fortgesetzt und ausgeweitet. „referendum.03“ wird dabei als Referenzprojekt vorgestellt. Beispielsweise nutzen wir Podiumsdiskussionen und Vorträge anderer Institutionen in Berlin zum Knüpfen und Pflegen von Kontakten. Die Fahrt wird des weiteren auf der Homepage des Vereins dokumentiert.

Perspektiven

Die meisten Teilnehmer von „referendum.03“ zeigten sich sehr interessiert an einem weiteren Engagement für ähnliche Projekte im Rahmen des Vereins Jugend bewegt Europa e.V. Der Verein bietet Interessierten in regelmäßigen Abständen den Besuch von Veranstaltungen mit europa-politischem und osteuropäischem Bezug in Berlin an, wie z.B. eine Führung durch die Ausstellung „Idee Europa“ im Deutschen Historischen Museum Berlin oder eine Fahrt zum Europa-Garten nach Frankfurt/Oder. Den Polen gegenüber wurde eine Einladung nach Berlin für den Mai 2004 zum offiziellen Beitrittstermin ausgesprochen. Es ist angedacht zu diesem Anlass ein europäisches Jugendcamp in der Umgebung von Berlin zu veranstalten. Die Konzeption dieses Vorhabens wird in den nächsten Monaten in Angriff genommen. Desweiteren kooperiert Jugend bewegt Europa mit der young.euro.connect-Konferenz, die im Februar in Berlin stattfinden soll und bei der Jugendliche aus ganz Europa ihre Ideen zur Zukunft Europas diskutieren werden.